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News im 1. SSV SAALFELD

News im 1. SSV SAALFELD

1. SSV Saalfeld | Sonntag, 05.12.2021

Lutz Grau über den Stellenwert des Sports

Lutz Grau, ausgezeichnet mit der GutsMuths-Plakette des LSB in Platin, über den Stellenwert des Sports

Lutz Grau, ausgezeichnet mit der GutsMuths-Plakette des LSB in Platin, über den Stellenwert des Sports

Von Stephan Klaus, OTZ

In Verbänden, Vereinen und Schulen arbeitet der Saalfelder Lutz Grau in Summe mehr als 40 Jahre. Vom Landessportbund wurde er nun mit der GutsMuths-Plakette in Platin ausgezeichnet. Mit der Entwicklung des Sports ist er indes nicht zufrieden.

Wer sich ausgiebig mit Lutz Grau über Sport unterhält, bekommt ein facettenreiches Themen-Panorama, das nicht alltäglich präsentiert wird. Seine heute 68 Jahre halten den Diplomlehrer für Sport und Geographie einerseits nicht davon ab, weiterhin kräftig beim 1. SSV Saalfeld seine Boxer, Schützlinge der anderen 20 Abteilungen sowie junge Trainerinnen zu fördern.

Er ackert und organisiert unentwegt in Zusammenarbeit mit Schule und Verbänden in unterschiedlichen Funktionen. Andererseits betrachtet er das Metier Sport nun mehr als 40 Jahre am Mikroskop in Schule und Trainingsbetrieb, blickt gleichwohl überspannend auf die Entwicklung der allgemeinen Fitness in der Gesellschaft sowie die Qualität im Leistungssport – mitunter als Analytiker, manchmal als Sportphilosoph.

Ohne Teamarbeit geht es nicht

Lutz Grau führt ein Sportlerleben aus Überzeugung. Natürlich greift er ein, versucht zu verbessern, zu korrigieren, Funktionierendes aber auch zu bewahren. Vor einem Jahr wurde ihm das Bundesverdienstkreuz verliehen, kürzlich erhielt er vom Thüringer Landessportbund die GutsMuths-Ehrenplakette in Platin – höher hinaus geht es dort nicht.

„Eine große Ehre für mich. Doch ohne den Thüringer Boxverband und den Vorstand wäre das nichts geworden, auch nicht ohne die vielen Trainer und Lehrer, die in der langen Zeit dabei waren“, sagt er. „Niemand kann so einen großen Verein allein aufbauen und am Leben erhalten“, spricht er den 1. SSV an, den er 1992 einst mitgegründet hat. Schon damals erfreuten sich er und seine Mitstreiter an der Teamarbeit: Sieben Lehrer der Geschwister-Scholl-Schule riefen einen Verein ins Leben, der drei Jahrzehnte später mit rund 1500 Mitgliedern zu den größten im Freistaat gehört. „Fünf Abteilungen waren es damals mit offiziell 156 Kindern. Wir hatten das Ziel, eine sinnvolle Freizeitgestaltung mit der Notwendigkeit zu verknüpfen, den Schulhof ruhiger zu gestalten.“

Ein wesentliches Merkmal am organisierten Sport laut Grau: Hand in Hand mit der Lebensfreude, die körperliche Leistungsbereitschaft und Erfolge mitbrächten, ginge auch die Selbstverständlichkeit für ein Mindestmaß an Selbstdisziplin – für die Heranwachsenden auf dem Schulhof ebenso wie für die Eltern inmitten der anderen Erwachsenen. „Leider ist der Leistungswille seit dem Umbruch zur Wendezeit oft verloren gegangen. Sport kann gegensteuern, ein soziales Feld schaffen, das dazu beiträgt, aus persönlichen Zwickmühlen herauszukommen. Sport verjagt auch die Einsamkeit.“

Grau beobachtet regelmäßig, ob seine These stimmt, wonach Sport das Leben lebenswerter macht – im Fitnessstudio. „Manchmal macht man Dinge in der Gruppe, manchmal allein. Das Erlebnis, wie zufrieden man nach dem Duschen ist, wenn man sich für ein paar Minuten hinsetzt und mit den Kollegen entspannt und zufrieden über irgendetwas redet: Dieses Erlebnis erfahren zu viele Menschen nicht.“

Als Lebensaufgabe begreift Grau, das Bewusstsein für den Sport zu schulen. „Da liegt heute vieles im Argen. In der Schule fallen zuerst die Sportstunden aus. Es gab Zeiten, in denen es fünf pro Woche gab, unter anderem mit viel mehr Schwimmunterricht. Das ist lange her. Andere Bundesländer werben unsere Lehrer mit höheren Löhnen und Verbeamtungen ab. Schließlich zieht sich diese Entwicklung hinein bis in die Sportvereine, wo insbesondere in der Pädagogik ein großer Nachholbedarf besteht. Es reicht nicht, einfach nur einen Ball in die Mitte der Spieler zu werfen.“

Dass es anders gehen kann, beweisen die Gründungsmitglieder des 1. SSV Saalfeld, die längst die nächste Generation in Sachen Trainings-Know-How und Organisation ausgebildet und begleitet haben und noch immer mit Rat und Tat zur Seite stehen. Hier ist ein System entstanden, das sich Grau flächendeckend in Republik und Land wünscht – mitsamt Veranstaltungen, denen auch Spezialisten wie etwa Sportmediziner beiwohnen.

„Das Zusammenspiel zwischen Vereinen, Schulen, Städten, Gemeinden und Verbänden muss belebt werden, ebenso zwischen Hauptamtlichen und Ehrenamtlichen. Eine einfache Trainerausbildung ist nicht mehr genug“, sagt Grau, der selbst seit 2002 dem Führungstrio des Thüringer Box-Verbands angehört.

„Vernünftiges Sportkonzept fehlt“

Allein aus seiner Sportart bringt er ernüchternde Zahlen des schlummernden Sports: „Aus den 65 Sektionen Boxen der Bezirke Erfurt, Gera und Suhl in den Betriebssportgemeinschaften zu DDR-Zeiten sind heute 20 Box-Abteilungen geworden. Gesamtdeutsch? Box-WM in Serbien: null Medaillen, teilweise das Vorrunden-Aus. In vielen anderen Sportarten sieht es nicht besser aus. Dabei kann man durchaus hervorragende Jugendarbeit machen, wie zum Beispiel Thomas Elke vom Boxverein Weimar belegt, der es unter anderem versteht, gefallene Jugendliche über den Sport zurückzuholen.“

Die Karten für ein erfolgreiches Umdenken, die gerade diese Region in der Hand hält, befindet Grau indes keinesfalls als schlechte. „Die Infrastruktur ist da; die Sporthallen in Saalfeld, Rudolstadt und vor allem der Sportkomplex in Bad Blankenburg sind ausgezeichnet. Was fehlt ist ein vernünftiges Sportkonzept für das Städtedreieck.“

Sportenthusiast Lutz Grau schiebt seit über 40 Jahren an – und plant den nächsten Coup: Gemeinsam mit Frank Eismann vom noch mitgliederstärkeren SV 1883 Schwarza hat er eine Idee ins Visier genommen. „Die wollen wir jetzt gemeinsam ausreifen lassen.“ Die Zugpferde könnten beide Vereine sein. „Mit deutlich über 3000 Mitgliedern kann man was bewegen.“

Den Sport in der Region für einen größeren Teil der Menschen sicht- und spürbar machen: Wenn einer in seinem Lebenswerk nachgewiesen hat, dass er dazu imstande ist, dann ist es Lutz Grau.

Artikel: Stephan Klaus, OTZ

Foto: Jacob Schröter